Intensive Momente im Pflegealltag: Folge 5 unserer Mini-Serie

​​​​​​​Was war dein intensivster Moment, Annemarie?

Am ersten Juli feierte Annemarie ein ganz besonderes Jubiläum:

15 Jahre Kurhaus am Park! In diesen Jahren hat Annemarie einige „Intensive Momente“ erlebt. Auf die Frage, ob sie diese mit uns teilen möchte, gibt es zum Glück positives Feedback.

„Intensive Momente im Kurhaus“

In unserer Reihe „Intensive Momente im Kurhaus“ erzählen Mitarbeiter aus dem Kurhaus, was sie in ihrem Job nachhaltig beschäftigt hat oder auch immer noch beschäftigt. Die Themen variieren: Thematisiert werden konkrete, einzigartige Erlebnisse, wiederkehrende Abläufe, Beziehungsmuster oder auch generelle Einschätzungen, die sich mit den Herausforderungen im Job beschäftigen. Immer sind es Mitarbeiter aus dem Kurhaus am Park, die an dieser Stelle einen Blick hinter die „Job-Kulissen“ gewähren. Ein herzliches Danke dafür!

Bevor Annemarie mit uns spricht, hat sie den Artikel zu Christians „Intensiven Moment“ gelesen. Dort spricht Christian über einen Vorfall mit einer dementen Bewohnerin sowie über bewegende Momente in der Karnevals- und Weihnachtszeit.

„Auf Eiern gehen“ – Momente in der Sterbebegleitung

Annemarie möchte mit uns über das Thema Sterbebegleitung sprechen. Sie hat dabei einen ganz bestimmten Moment im Sinn, der sie auch nach 15 Jahren professioneller Arbeit im Kurhaus noch nachhaltig berührt:

„Die meisten Bewohner erleben bei uns im Kurhaus ja ihre letzte Lebensphase. Auch, wenn wir kein Hospiz sind, begleiten wir viele unserer Bewohner irgendwann im Sterbeprozess“. Während der Sterbebegleitung ist man nicht nur für den Sterbenden da, wir stehen auch den Familienangehörigen zur Seite, unterstützen wo wir können und leisten Beistand. Bei der Bewohnerin, über die ich heute sprechen möchte - nennen wir sie jetzt mal einfach Margit - zeichnete sich der Sterbeprozesse etwa anderthalb Wochen vor ihrem Tod ab.
In dieser Zeit wurde Margit sehr intensiv von ihren Angehörigen begleitet. Für mich war die Art und Weise komplett neu. Im Zimmer der Sterbenden wurde die Gitarre ausgepackt, es wurde gemeinsam gesungen und es wurden Blumenkränze gebastelt …

„Die Atmosphäre war nicht traurig sondern lebendig!“

So schildert es Annemarie im Rückblick und fügt gleichzeitig hinzu: „Sterben ist leider immer noch ein Tabu-Thema. Keiner weiß, wie man sich richtig verhält und vielen fällt der Umgang schwer! Als Pflegekraft steht man den Familien natürlich zur Seite schaut nach, ob diese etwas brauchen, oft genug bewegt man sich wie auf rohen Eiern – also sehr vorsichtig und zurückhaltend“.

Im Fall von Margit, waren alle Familienangehörigen da – und das obwohl Margit meist schlafend im Bett lag. Ihre Tochter übernachtete während dieser Zeit im Kurhaus, sie wich ihrer Mutter nicht mehr von der Seite. „Für mich war diese Form der Unterstützung, dieser Familienzusammenhalt sehr beeindruckend. Als Pflegekraft ist man gewohnt den Familien in dieser Zeit beizustehen, bei der Familie von Margit hatte ich eher die Sorge, ich könnte stören. Doch stattdessen bat die Familie mich ins Zimmer und wir konnten gemeinsam interagieren“.

Warum der Moment so intensiv war?

„Weil es leider doch meist anders ist. Einem Zimmer voller Familie, die musizieren, basteln oder einfach da sind - stehen leider auch Zimmer entgegen, die leer bleiben“. An einen solchen Fall erinnert sich Annemarie auch. Der sterbenskranke Bewohner erhielt tatsächlich keinen Besuch von Angehörigen oder Freunden. „Als ich schließlich an der Beisetzung teilnahm, um meine Anteilnahme auszudrücken, war die Kirche so voll Familie und Bekannten, dass diese bis vor der Kirche standen ...“

Damals wie heute hat Annemarie für den unterschiedlichen Umgang mit Trauer Respekt. Oft spielt bei der Sterbebegleitung auch auf Seiten der Angehörigen eine große Unsicherheit eine Rolle. Annemarie möchte zeigen, dass es anders geht. Sie möchte versuchen, das Tabu zu brechen. Mit dieser Geschichte möchte sie durch ihre positiven Erfahrungen, die sie im Fall von Margit machen konnte, andere Familien und auch Pflegekräfte ermutigen, den passenden Umgang für ihre Trauer zu finden.

Infos zu Annemarie

  • Ihre Ausbildung (damals noch) zur Altenpflegerin macht Annemarie in Siegburg.
  • Direkt nach ihrem Abschluss arbeitete sie im Kurhaus am Park.
  • Annemaries Mutter ist ebenfalls Pflegekraft. Als Annemarie ihre Mutter einmal bei der ambulanten Pflege begleitete, war sie fasziniert von der Arbeit mit den Senioren.
  • Annemaries Resümee heute: Sie kann sich nicht vorstellen, acht Stunden im Büro zu sitzen. Pflege ist genau ihr Ding!
  • Das Einarbeiten in ihren neuen Job hat sie noch gut in Erinnerung. Das „Onboarding“ funktionierte super. Ihre Kollegen mit denen sie heute immer noch gut Hand in Hand arbeitet, waren geduldig und verständnisvoll – eben genau so, wie man es für einen guten Start in den Job braucht.
  • Annemarie ist sehr dankbar, was ihr Team betrifft. Sie kommt jeden Morgen gerne zur Arbeit.
  • Die Facharbeit ihrer Weiterbildung zur Wohngruppenleitung schrieb Annemarie zwar über das Thema Sterbebegleitung – eine weiterführende Fortbildung besuchte sie jedoch (noch) nicht: "Ich möchte aus der Praxis lernen und meine Erfahrungen so weitergeben können".