Intensive Momente im Pflegealltag: Folge 2 unserer Mini-Serie

Eine Mitarbeiterin vom Kurhaus am Park unterhält sich mit einer Seniorin.

Was war dein intensivster Moment, Jeannine?

Jeannine Wendelstein ist examinierte Krankenschwester. Sie machte 1993 ihren Abschluss. Seit 2009 arbeitet sie mit einigen Unterbrechungen im Kurhaus im Sozialtherapeutischen Dienst.

Auf die Frage nach ihrem intensivsten Moment im Job muss Jeannine nicht lange überlegen. Sie hat viele intensive Momente in ihrem Job erlebt.

Während ihrer Arbeit mit schwerst-mehrfach behinderte Menschen, traf sie auf einen Patienten, der nie gelernt hatte so wie andere Menschen zu essen. „Während des Essens lag sein Gesicht auf dem Teller“, erinnert sich Jeannine. Durch intensive und geduldige therapeutische und pflegerische Unterstützung lernte der Patient mit der Zeit mit den Händen zu essen. Eine Weile später schaffte er es einen Löffel zu benutzen. Ein großer Erfolg für den Patienten und für Jeannine eine unvergessliche Erinnerung.

Es gibt noch einen Patienten, der Jeannine nicht aus dem Kopf geht. Sie erinnert sich noch gut an den etwa 2,15 Meter großen Mann in einem Pflegeheim. Er hatte sogenannte Spitzfüße, wodurch er permanent auf Zehenspitzen ging... Anfangs wirkte der Patient auf sie erschreckend. Außerdem sprach der Patient wenig bis gar nicht.

Durch ihre Arbeit konnte Jeannine die Ressourcen des Mannes so aktivieren, dass sie gemeinsam im Freien mit einem großen Ball Fußball spielten. Sobald Jeannine ihren Dienst begann, freute sich der „große Mann“ sie zu sehen und begann sogar nach einer Weile wieder - wenn auch wenig - zu sprechen.

Jeannine arbeitete bereits in jungen Jahren, vor ihrer Ausbildung, in einem Pflegeheim. Ein Grund für Jeannine sich im Kurhaus am Park zu bewerben. Im Kurhaus kann sie nun ihre gewonnenen Erfahrungen und Qualifikationen nutzen und einbringen.

Gleichzeitig konnte Jeannine ihre Kenntnisse in der Pflege und Betreuung erweitern.

Bei der Begleitung von Bewohner*innen im Wachkoma hat Jeannine viel über Kommunikation und Beobachtung gelernt.

Viele eindrucksvolle und intensive Momente hat Jeannine im Zusammenhang mit dem Thema Sterben & Tod erlebt. Zwei Sterbebegleitungen sind bei Jeannine besonders  haften geblieben. Gemeinsam mit Familienangehörigen der Sterbenskranken sang Jeannine ein irisches Segenslied mit dem Titel  "Möge die Straße uns zusammenführen".

Bei der letzten Strophe mit dem Text "Halte Gott dich fest in seiner Hand", taten in beiden Fällen die Sterbenden ihren letzten Atemzug. Die Begleitung bis zum Tod ist für Jeannine sehr prägend. Ihr ist es wichtig ein Gefühl des "Behütetseins" zu vermitteln – auch für die Familie des Sterbenden ist das ein wesentlicher und tröstlicher Aspekt.

Unvergessen ist in Jeannines Erinnerung der Tod einer Bewohnerin, einer ehemaligen Krankenschwester, die sich auf der Wachkoma-Station befand.

Durch Therapien, harte und geduldige Arbeit sowie familiäre Unterstützung konnte die Patientin irgendwann wieder kommunizieren!

Als die ehemalige Krankenschwester einige Zeit später überraschend verstarb, bekam sie einen schlichten Sarg. Dieser Sarg wurde für einige Tage in das ehemalige Zimmer der Bewohnerin gestellt und von vielen Mitarbeiter*innen bemalt. Die Bewohnerin liebte Pinguine und so malte Jeannine zum Abschied einen Pinguin, sitzend auf einer Eisscholle, auf den Sarg.

Für Jeannine gibt es eine Unterscheidung von Arbeit MIT dem Menschen und AN dem Menschen und verbunden damit große Unterschiede. In der Therapie oder der sozialtherapeutischen Betreuung sieht sie das „MIT-dem-Menschen-Arbeiten“ verwirklicht. Der Wechsel von der Pflege zur Betreuung war für Jeannine entscheidend, da sie dort aktiv Einfluss auf die Ressourcen des Einzelnen nehmen kann.